Abwärmenutzung

Heizen mit dem Internet

Rechenzentren kommt eine immer größere Bedeutung zu. Der gigantische Datenverkehr, der durch Videokonferenzen und E-Mails, aber auch durch den gestiegenen Serienkonsum auf Netflix & Co. verursacht wird, zieht einen hohen Energieverbrauch nach sich. Die dafür notwendige Kühlung der Server sorgt für Abwärme, die häufig in die Atmosphäre verpufft. Das muss aber nicht sein. Mit dem richtigen Konzept kann die Abwärme auch zum Heizen genutzt werden.

Schätzungen zufolge werden Rechenzentren bis zum Jahr 2025 bis zu einem Fünftel des globalen Stromverbrauchs ausmachen. Wo genau er derzeit weltweit liegt, ist aufgrund fehlender Angaben vieler Betreiber unklar. Die Bandbreite reicht von 200 bis 500 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr. Laut Berechnungen des Borderstep Instituts entfielen auf die mehr als 55.000 deutschen Rechenzentren, davon viele im Eigenbetrieb der Unternehmen oder Banken, etwa 13 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr. Das entspricht dem gesamten jährlichen Strombedarf einer Großstadt wie Berlin.

Luft nach oben bei der Abwärme 

Zu einem umweltfreundlicheren Energieverbrauch der Digitalisierung müssen künftig grünere Rechenzentren beitragen. Dabei bieten nicht nur die erneuerbaren Energien viel Potenzial – sondern vor allem die Nutzung der Abwärme. Denn beim Betrieb eines Rechenzentrums erhitzen sich die Server. Deshalb müssen sie kontinuierlich gekühlt werden. Bei den meisten Rechenzentren hierzulande verpufft die dabei entstehende Wärme einfach ungenutzt. Dabei könnte man damit ebenso gut angrenzende Bürogebäude, (Miet-)Wohnungen oder auch Gewächshäuser heizen. Doch genau das geschieht aktuell nur in sehr geringem Umfang. Und nur etwa jedes zehnte Rechenzentrum plant, dies in der Zukunft zu tun.

Dabei wäre es sinnvoll, dem Vorbild Schwedens zu folgen und Rechenzentren an die Nah- und Fernwärmenetze anzuschließen. Die schwedische Hauptstadt Stockholm ist eine der wenigen Städte weltweit, die in industriellem Maßstab die Wärmerückgewinnung großer Rechenzentren nutzt. So gibt es dort bereits rund 30 Rechenzentren, die ihre Abwärme in das Fernwärmenetz der schwedischen Hauptstadt einspeisen. Bis 2035 sollen sie sogar etwa zehn Prozent des Heizbedarfs von Stockholm decken. Auch die Europäische Kommission will den Klimaschutz bei Rechenzentren vorantreiben. Im Strategiepapier „Shaping Europe´s Digital Future“ skizziert sie einen Fahrplan für die Klimaneutralität der Rechenzentren bis 2030. 

Dass die Abwärmenutzung in Deutschland noch hinterherhinkt, hat planerische und infrastrukturelle Gründe. So gibt ein Rechenzentrum über das gesamte Jahr hinweg Abwärme ab. Ideal sind daher benachbarte Abnehmer, die die Wärmeenergie permanent und nicht nur im Winter benötigen. Das gilt etwa für Schwimmbäder, Wäschereien oder auch landwirtschaftliche Vorhaben. Diesen Aspekt müssen Städte und Kommunen bei der Planung frühzeitig berücksichtigen, um eine kluge Quartiersplanung zu ermöglichen. 

Hinzu kommt, dass die Temperatur der Abwärme mit bis zu 30 Grad Celsius für direkte Heizzwecke nicht ausreicht, sondern entweder über sogenannte Niedertemperaturheizungen in angrenzenden Wohn- und Bürogebäuden genutzt oder mittels Wärmepumpen erhöht werden muss. Das steigert jedoch die ohnehin schon erheblichen Herstellungs- und Betriebskosten der Betreiber und setzt daher bestimmte finanzielle Anreize voraus, damit es sich für die Betreiber rechnet.

Sinnvoll wäre es etwa, die Betreiber von Rechenzentren von der EEG-Umlage zu befreien, wenn sie im Gegenzug ihre Abwärme effizient nutzen. Denn dann würden die Rechenzentren das EEG-Ziel der Förderung umweltfreundlicher Energien erfüllen. Auch Steuervergünstigungen oder Förderprämien könnten einen attraktiven Anreiz bieten, entsprechend zu investieren. 

Zukunftsweisendes Null-Energie-Konzept

Bis es soweit ist, liegt es an innovativen Unternehmen, die Konzepte entsprechend voranzubringen. Mit dem aktuell entstehenden Technologiepark IN-Campus auf dem Gelände einer ehemaligen Erdölraffinerie im Osten von Ingolstadt setzt die AUDI AG Maßstäbe, und das nicht nur für zukunftsweisende Mobilitätsformen oder in puncto umweltfreundliche Sanierung. Dem IN-Campus in Ingolstadt liegt ein ausgeklügeltes Energiekonzept zugrunde. Das Rechenzentrum soll im Laufe des Jahres 2022 in den Live-Betrieb gehen und die Abwärme der rund 8.000 Server als Heizenergie genutzt werden.

Ein wesentlicher Baustein dafür ist das sogenannte LowEx Netz: Dieses wasserbasierte Rohrleitungsnetz dient allen Gebäuden auf dem IN-Campus als Wärmequelle und Wärmesenke. Gebäude mit einer hohen Kühllast – wie das Rechenzentrum – geben anfallende Abwärme in das Netz, Gebäude mit einer hohen Heizlast entnehmen die nötige Energie dem LowEx-Netz. So werden Verbraucher zu Erzeugern.

Die Temperatur des Netzes bewegt sich bewusst unter Ausnutzung der saisonalen Schwankung zwischen 5 und 30 Grad Celsius – ideal, um beispielsweise Umweltwärme oder Abwärme in das Netz einzuspeisen. Mit Hilfe von reversiblen Wärmepumpen in den jeweiligen Gebäuden werden die notwendigen Systemtemperaturen sichergestellt. Das Lastmanagement und die Energieeffizienz des Gesamtsystems wird dabei von thermischen Energiespeichern unterstützt, die mit einem Fassungsvermögen von rund 3000 Kubikmetern sowohl Wärme als auch Kälte speichern können.

Das Beispiel zeigt: Klug konzipiert können Rechenzentren maßgeblich dazu beitragen, die Herausforderungen der Energiewende zu bewältigen – und damit, Maßstäbe in Sachen Zukunftsfähigkeit zu setzen. 

Klug konzipiert können Rechenzentren maßgeblich dazu beitragen, die Herausforderungen der Energiewende zu bewältigen.

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