3D-Drucken von Metallen

Digitaler Brückenschlag

Neben dem bekannten 3D-Druck von Kunststoffen und dem von Beton, ist es seit einigen Jahren auch möglich, mit Metallen zu drucken. Das Verfahren basiert auf dem additiven Prinzip des Lichtbogenschweißens. Der folgende Artikel stellt verschiedene Techniken vor.

Grundsätzlich unterteilt sich der 3D-Druck in das additive und das substraktive Verfahren. Während bei dem substraktiven Verfahren klassischerweise mit einem Laser oder mit einer robotergeführten Fräse Material aus einem Werkstoff weggenommen wird, wird in dem additiven Verfahren ein Werkstück mit einer computergesteuerten Düse aufgebaut.

Zu den etablierten Produkten zählen computergeschnittene Pappen im Modellbau (subtraktives Verfahren), der kunststoffbasierte 3D-Druck in kleinen Kammern sowie seit kurzer Zeit der 3D-Druck von ganzen Gebäuden mit dem Werkstoff Spritzbeton. Auf diese Weise wurde Anfang des Jahres 2021 im westfälischen Beckum das erste Wohnhaus auf deutschem Boden „ausgedruckt“.

Die allgemein verbreiteten Druckverfahren mit Kunststoff bzw. mit Spritzbeton, wie bei dem Beckumer Projekt eingesetzt, arbeiten mit sogenannten Gentry-Druckern: Dabei bewegt sich die materialgebende Spritzdüse auf einem Schlitten, der über ein entsprechendes Schienensystem in allen 3 Dimensionen im Raum verfahren werden kann. Die so zu erstellenden Werkstückdimensionen sind durch die Arbeitsraumgröße limitiert.

Alternativ zu diesem System besteht die Möglichkeit, sowohl die additiv arbeitende Düse, als auch einen subtraktiv arbeitenden Laser oder eine Fräse an einem Roboterarm zu montieren. Damit entfällt der definierte Raum, das „bedruckbare“ Volumen entspricht der Reichweite des Roboterarms – in der Regel ein Maß von rund 3,5 m. Montiert man darüber hinaus den Roboter auf einer Schiene, kann in einer Achse die realisierbare Werkstückdimension beliebig verlängert werden. So geschieht es derzeit in der Schweiz beim „White-Tower-Projekt“ der ETH Zürich, wo auf diese Weise mehrere Meter lange Säulen in einem Stück aus Beton gedruckt werden.

Druckverfahren bei Metallen

Auf diesen grundlegenden Prinzipien basiert auch das Drucken von Metallen, insbesondere das von Stahl. Auch das Lichtbogenschweißen ist ein additives Verfahren. Ein Schutzgasschweißgerät verfügt über eine Spitze, an die ein Schweißdraht herangeführt wird. Über einen energiereichen Lichtbogen wird ein kleiner Teil des Drahtes für Sekundenbruchteile verflüssigt und einem Werkstück in definierter Menge angefügt. Mit dem Schutzgas verhindert man eine unmittelbare Oxidation und steuert zudem die Erstarrungsdauer des aufgeschmolzenen Stahltropfens. Dessen Größe kann man mathematisch ein definiertes Volumen zuweisen. So lassen sich mit dem Lichtbogenschweißen nicht nur bestehende Bleche real zu einem Bauteil verbinden, sondern es ist auch möglich – sofern man den Schweißkopf nur präzise genug führt –, ganze Werkstücke quasi aus dem Nichts zu erstellen, also „auszudrucken“.

Brückenschlag der TU Darmstadt

Das Institut für Stahlbau und Werkstoffmechanik der TU Darmstadt unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Jörg Lange beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mit diesem Verfahren. Dabei liegt deren Forschungsschwerpunkt auf einer robotisch erstellten Verbindung von konventionell gewalzten Stahlträgern, wie sie im Hallen- oder Brückenbau erforderlich sind. So hatte Rigbert Fischer in seiner Doktorarbeit nachgewiesen, dass 63 Prozent der Produktionszeit im Stahlbau auf das Erstellen von Anschlüssen und Knotenpunkten wie etwa Kopfplatten, Steife oder Fahnenbleche entfallen. Diese Arbeiten erfolgen durchweg manuell und sind zudem entsprechend fehleranfällig. [1Literatur]

Insgesamt wird zum 3D-Druck mit Metallen schon mehr als zehn Jahre geforscht. Nach der Erstellung verschiedener kleinerer Demonstratoren entschied sich im Herbst 2019 das Forschungsteam um Prof. Lange für den Ausdruck einer realen Brücke im 3D-Druckverfahren aus Stahl. Mit dem in zwei Monaten realisierten Objekt, das eine Spannweite von 2,80 m besitzt, wiesen die Wissenschaftler zwei Dinge nach:

Zum einen, dass es mit Stahl möglich ist, „schräg“ zu drucken, also nicht nur vertikal eine neue Schicht auf einer älteren zu platzieren, sondern dass man sich mit einem über fünf Achsen gesteuerten Roboterarm beim Stahldruck auch frei im Raum bewegen kann.

Zum anderen zeigten sie, dass so ein Brückenschlag auch über eine Wasserfläche hinweg erfolgen kann. Es ist nicht erforderlich, die Werkstücke in einem definierten Raum, wie einer Werkshalle, vorzuproduzieren. Obwohl die Darmstädter Brücke mit ihren Brückendimensionen eher bescheiden ist, wurde diese Ortsunabhängigkeit bislang nicht übertroffen.

Brücke für Amsterdam

Dies hervorzuheben, ist angesichts der diesjährigen Entwicklung bedeutsam: So wurde im Juli 2021 über die Oudezijds Achterburgwal, eine kleine Gracht in der Amsterdamer Altstadt, eine kleine Fußgängerbrücke geschlagen, die von der Niederländischen Königin Maxima feierlich eingeweiht und der Öffentlichkeit übergeben wurde. Bei ihr handelt es sich eben nicht um die welterste im 3D-Druck-Verfahren erstellte Brücke, sondern „nur“ um ein etwa doppelt so großes Projekt, an dessen Design jedoch sichtbar Hand angelegt wurde.


Prof. Lange stellt zu der von der Firma MX 3D stammenden Brücke fest, dass diese in einer Werkshalle vorproduziert wurde und die Metalllagen vertikal übereinander aufgetragen wurden. Sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Thilo Feucht ergänzt, dass die Amsterdamer Brücke für den Druck um 90° in die Senkrechte gedreht war und zudem aus mehreren Bauteilen besteht. Diese wurden von bis zu sechs Robotern gleichzeitig nebeneinander gedruckt und als Einzelteile an die Baustelle transportiert, wo man sie von Hand zusammenschweißte.

Sowohl bei der Darmstädter als auch bei der Amsterdamer Brücke wurde mit 1-3 mm eine ähnliche Schichthöhe der Schweißlagen gefahren, auch verzichtete man bei beiden Brücken auf eine glättende Nachbearbeitung der durch den Druck bedingten, strukturierten Oberfläche. Die Brücke über die Oudezijds Achterburgwal wurde aus Edelstahl gedruckt, um sie unempfindlich gegenüber dem Wettergeschehen zu machen, die Darmstädter Brücke besteht hingegen aus dem handelsüblichen Schweißdraht G3Si1, der natürlich zur Korrosion neigt.

Materialforschung

Natürlich ging es den Darmstädter Wissenschaftlern primär darum zu zeigen, dass auch mit herkömmlichen Materialien ein Metalldruck möglich ist. Zwischenzeitlich konnten sie jedoch aufzeigen, dass mit G3Si1 gedruckte Werkstücke ein vergleichbares Elastizitätsmodul – wie etwa bei gewalztem Stahl – besitzen und Knotenverbindungen damit problemlos zu erstellen sind.

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Bei Edelstahl wurde hingegen dessen starke Neigung zur Orthotropie nachgewiesen, d.h. dass dessen Festigkeit in Druckrichtung deutlich höher als quer zu dieser ist.

Nach dem erfolgreichen Bau des Brückendemonstrators beschäftigte sich das Institut für Stahlbau und Werkstoffmechanik der TU Darmstadt mit zwei grundlegenden Themen:

Zum einen wollte man das Drucken von Metallen berechenbar machen, so dass entsprechende Prüfnachweise erstellt werden können, die für einen Prüfingenieur nachvollziehbar sind, und die von der Bauaufsicht anerkannt werden.

Zum anderen geht es um Oberflächen; sowohl bei der Darmstädter wie auch bei der Amsterdamer Brücke war gestalterisch eine strukturierte Oberfläche erwünscht. Es gibt aber auch Anwendungen, wo dies ein Nachteil ist. Bei zyklisch beanspruchten Bauteilen ist eine glatte Oberfläche relevant, um deren Materialermüdung vorzubeugen, da strukturierte Oberflächen zu einer Kerbwirkung beim Bauteil neigen.

Konkret geht es um eine robotische Nachbearbeitung mit Fräsaufsätzen. Statt dem Schweißkopf wird der Roboter mit einer Fräse bestückt. Diese Materialabtragung könnte man durchaus als weiteren, diesmal subtraktiven 3D-Druck bezeichnen. Ein Problem stellt hier die Druckungenauigkeit beim Lichtbogenschweißen dar, da es durch die unvermeidlichen, schnellen Temperaturwechsel zu Schweißverzügen kommt. Deshalb muss vor einer subtraktiven Nachbearbeitung das Werkstück mit einem 3D-Scanner eingemessen werden, da der reale Ausdruck nur bedingt dem virtuellen Computermodell entspricht. Und auf Basis dieser Realgeometrie wird dann individuell eine „passende“, glatte Oberfläche gefräst.

Schutzgas ist nicht gleich Schutzgas

Unlängst hat sich das Damstädter Institut auch mit dem Einfluss von Schutzgas beim 3D-Druck beschäftigt. Grundsätzlich wird hier das Edelgas Argon unter Zugabe unterschiedlich hoher Kohlendioxid- und Sauerstoffanteile verwendet. Handelsüblich ist ein etwas über 80 % liegender Anteil an Argon, der Rest ist ein zweistelliger Kohlendioxidwert und eine einstellige Sauerstoffbeimischung.

Diese Zusammensetzung hat sich beim Metalldruck als weniger effizient herausgestellt als ein Arbeiten mit hochprozentigen Edelgasmengen. Hintergrund ist, dass im entstehenden Schweißplasma, also bei 2.000-3.000°C auch das Kohlendioxid in seine Bestandteile aufgespalten wird. Es verbrennt dann ebenfalls und steigert damit noch einmal die Plasmatemperatur. Dieser Effekt verlängert wiederum die Zeitspanne, die für die Erstarrung des zuvor gesetzten Schweißpunktes erforderlich ist. Im Resultat druckt der Roboter deshalb langsamer. Hier gilt es abzuwägen, was wirtschaftlicher ist: Die schnellere robotische Fertigung oder das teurere Schutzgas.

Metalldruck mit Pulver

Neben dem oben beschriebenen WAAM-Verfahren (Wire Arc Additive Manufacturing) gibt es im 3D-Metalldruck eine laserbasierte Technologie, die auf der Verwendung von Metallpulver basiert. Hier schmilzt ein leistungsstarker Laser selektiv ein Pulverbett auf, während fortwährend eine Maschine weitere Schichten gleichmäßig in diesen Arbeitsraum einbringt. Dieses Verfahren ist dem zu Anfang beschriebenen Gentry-Bereich zuzuordnen, prozesstechnisch ähnelt es dem 3D-Kunststoffdruck.

Tatsächlich existiert dieses Verfahren schon seit mehr als einer Dekade und wird vor allem durch die Automobilindustrie vorangetrieben. Der große Vorteil des Verfahrens ist eine bis in den Mikrometerbereich gehende Präzision, die mit dem WAAM-Verfahren unerreichbar ist. Für das Bauwesen nachteilig sind die vergleichbar geringen Verarbeitungsmengen. Während Prof. Lange den Druckausstoß bei dem schweißdrahtbasierten Verfahren auf 5-10 kg/h beziffert, schätzt er bei dem Metallpulververfahren eine Maximalmenge von 100 g/h. Als zweiten Faktor nennt er die exorbitanten Materialkosten. So wäre für das besonders feine, natürlich vollkommen entmagnetisierte Stahlpulver ein Preis von mehr 100 Euro/kg anzusetzen, wohingegen der handelsübliche Schweißdrahtpreis zwischen 1-2 Euro/kg liegt.

Fazit

Prof. Jörg Lange sieht das WAAM-Verfahren zum roboterbasierten Drucken im Bauwesen auf einem guten Weg, da er nachgewiesen hat, dass dieses eben nicht in Konkurrenz zu den klassischen Stahlbautrieben steht, sondern für diese eine interessante Option darstellt, um deren hohe Produktionskosten langfristig zu senken. Ein entsprechendes Feedback hat er von seinen Industriepartnern bereits erhalten.

Literatur

[1] Fischer, Rigbert, „Eine Untersuchung zur roboterbasierten Baugruppenfertigung im Stahlbau“, 2014, Seiten 74-75.

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