Technische Hochschule Nürnberg, Fakultät Werkstofftechnik

Duales Studium gegen den Fachkräftemangel

Abstract:

Die Technische Hochschule Nürnberg bietet in der Fakultät Werkstofftechnik seit kurzem duale Studienmodelle für Keramik-Ingenieurinnen und -Ingenieure an, die es Unternehmen ermöglichen, aktiv gegen den Fachkräftemangel vorzugehen. Nachfolgend sind diese Studienmodelle sowohl für das Bachelor- als auch Master-Studium beschrieben sowie die Voraussetzungen, die Interessenten und Unternehmen mitbringen müssen.

Neben den enorm gestiegenen Energiekosten ist der Fachkräftemangel eines der dominierenden Themen in der Keramikindustrie. Viele Firmen suchen händeringend nach geeignetem Nachwuchs, auch im akademischen Bereich der Keramik-Ingenieurinnen und -Ingenieure.

An der Technischen Hochschule Nürnberg Georg-
Simon-Ohm (THN) werden von der Fakultät Werkstofftechnik (WT) seit 50 Jahren Werkstoffingenieur*innen ausgebildet. Ein Schwerpunkt liegt seit jeher auf den Fachgebieten Keramik und Glas. Ein erheblicher Teil der in Deutschland beschäftigten Keramik-Ingenieur*innen haben ihr Studium an der TH Nürnberg absolviert.

Das 7-semestrige Bachelor-Studium trägt mittlerweile die Studiengangsbezeichnung „Angewandte Materialwissenschaften“. Bis zum Jahr 2010 vermittelte der Studiengang ausschließlich Fachwissen über nichtmetallisch-anorganische Werkstoffe (NAW), also Glas, Keramik und Bindebaustoffe. Seitdem wurde der Lehrstoff für alle Werkstoffgruppen geöffnet, was hinsichtlich einer Stabilisierung der Studierendenzahlen zwingend notwendig war. Trotzdem wurde der Lehrstoff in den Fachgebieten Glas und Keramik nicht vermindert. Im Gegenteil. Nach einem Grundstudium, das die ersten drei Semester umfasst und die klassische Ingenieur-Grundausbildung sowie Basis-Vorlesungen aller Werkstoffgruppen, also auch Metalle und Kunststoffe, abdeckt, wählen die Studierenden ab dem 4. Semester spezielle Schwerpunkte. Im Bereich der NAW-Werkstoffe sind das die Silikat- und Grobkeramik, die Hochleistungs- und Funktionskeramik, Glas, Bindemittel, Nanomaterialien, Verbundwerkstoffe sowie die Werkstoffe der Elektrotechnik.

Im Fachgebiet „Grobkeramik“ wird den Studierenden einschlägiges Wissen zur Herstellung und den werkstofftechnischen Eigenschaften grobkeramischer Produkte wie Dach- und Mauerziegel nahegebracht. Dabei werden alle verfahrenstechnischen Schritte, ausgehend vom Tonabbau, die chemisch-mineralogische Zusammensetzung der Tone und Zuschlagstoffe, die Aufbereitung, Formgebung, Trocknen und Brennen, Verpackung, Qualitätsüberwachung, Porosierungsmittel, Glasuren bis hin zu den Ziegeleigenschaften beleuchtet. Neben den oben genannten Schwerpunkten deckt das Studium zusätzlich alle wesentlichen Randbereiche wie Oberflächentechnik, Elektronik, Medizintechnik, Energietechnik, Maschinenbau usw. mit ab. Daneben werden heute für die Industrie wichtige Inhalte wie u.a. Qualitätsmanagement, Betriebswirtschaftslehre, Finite-
Elemente-Simulation, Kon- struieren, Statistik (DoE, SixSigma) gelehrt. Zu nahezu jedem Lehrmodul gibt es entsprechende Praktika (siehe Bilder 1-3).

Auf das Bachelor-Studium baut ein 3-semestriges Master-Studium „Neue Materialien, Nano- und Produktionstechnik“ auf, bei dem die Studierenden erneut ihren Schwerpunkt aus den 3 Fachgebieten  NAW-Werkstoffe, Metalle oder Kunststoffe auswählen können und dort eine intensive Vertiefung ihrer materialwissenschaftlichen Kenntnisse erhalten.

Vielfach wurde der Wunsch seitens der Industrie geäußert, duale Studienmodelle anzubieten, die es Unternehmen ermöglichen, bereits frühzeitig eine Bindung zu Studierenden aufzubauen und damit gezielt Nachwuchs zu generieren, oder Mitarbeitern ein Studium und damit eine fachliche Weiterbildung zu ermöglichen (z. B. „Studium mit vertiefter Praxis“), ohne die Mitarbeiter für Jahre an die Hochschule zu verlieren. Diesem Wunsch folgend, bietet die Fakultät Werkstofftechnik seit kurzem interessante duale Studienmodelle an, die bei verschiedenen Unternehmen bereits großen Anklang finden.

Zu unterscheiden ist hier zwischen dem, was man klassischerweise unter einem dualen Studium versteht, nämlich einer Verknüpfung von Lehrberuf und Studium, und einem Modell, das sich immer größerer Beliebtheit erfreut, nämlich einem Studium mit vertiefter Praxis (ohne Lehre). Nachfolgend werden die unterschiedlichen Modelle erläutert.

Modelle für das Bachelor-Studium „Angewandte Materialwissenschaften“

Das klassische Modell mit einer Kombination aus Lehre und Studium wird als „Verbundstudium“ bezeichnet. Hier kommen unterschiedliche Lehrberufe in Frage, wie beispielsweise die Ausbildung zum Industriekeramiker oder auch zum Werkstoffprüfer. Beide Lehrberufe sind an der Berufsschule in Selb angesiedelt. Bild 4 zeigt den schematischen Aufbau. Nach einem Jahr Ausbildung in Betrieb und Berufsschule beginnt das Bachelor-Studium „Angewandte Materialwissenschaften“ an der TH Nürnberg. Die Prüfungen in der Berufsschule sind mit dem Studium so koordiniert, dass diese in die Semesterferien bzw. das praktische Studiensemester fallen (siehe orangefarbene Symbole in Bild 4). In der vorlesungsfreien Zeit (Semesterferien, in Bild 4 grau markiert) wird im Betrieb gearbeitet, ebenso im Praxissemester sowie im letzten Semester, in dem die Abschlussarbeit angefertigt wird. Dadurch ist gewährleistet, dass der/die Studierende sehr große Elemente der Studienzeit im Industrieunternehmen verbringt und somit bestmöglich auf die Tätigkeit im Unternehmen vorbereitet wird.

Neben dem klassischen Verbundstudium erfreut sich das „Studium mit vertiefter Praxis“ sehr großer Beliebtheit. Es erfolgt keine parallele Ausbildung in einem Lehrberuf, sondern der/die Studierende beginnt sofort mit dem Studium, verbringt jedoch sämtliche Praxisphasen und Semesterferien im Unternehmen. Das bietet den Firmen ebenfalls den Vorteil, dass sie das ganze Studium über einen engen Kontakt zum/zur Studierenden halten, ohne ihn/sie für mehrere Jahre an die Hochschule „zu verlieren“. Mittlerweile studieren ca. 2/3 aller dual Studierenden im Modell „Studium mit vertiefter Praxis“. Bild 5 veranschaulicht dieses Modell.

Modelle für das Master-Studium

Aufgrund der großen Nachfrage werden mittlerweile auch Modelle für das Master-Studium angeboten. Diese können entweder direkt an ein (duales) Bachelor-Studienmodell angeschlossen oder als Weiterbildungsstudium durchgeführt werden. Voraussetzung dafür ist ein abgeschlossenes einschlägiges mindestens 7-semestriges Bachelor-Studium, d. h. ein Bachelor-Studium im Bereich der Werkstofftechnik, Materialwissenschaften oder verwandter Themenbereiche wie Kunststofftechnik, Nanotechnik, Metalltechnik u. Ä. Im Master-Studium werden ausschließlich Studienmodelle vom Typ „Studium mit vertiefter Praxis“ angeboten. Die Bilder 6 und 7 zeigen zwei mögliche Modelle. In Bild 6 ist das Master-Studium mit vertiefter Praxis als Vollzeitstudium in drei Semestern dargestellt. Auch hier sind, wie im Bachelor-Studium, das Arbeiten während der Semesterferien im Betrieb sowie das ­Anfertigen der Master-Abschlussarbeit im Industrieunternehmen feste Bestandteile des Modells. Bild 7 zeigt das Teilzeitmodell, das gerade im Master-Studium sehr stark nachgefragt wird. Während des Master-Studiums steht häufig das ­Geldverdienen bei vielen Studierenden verstärkt im Vordergrund. Daher sind hier die Theorie-Semester von 2 auf 4 Semester gestreckt, wobei in jedem Semester nur die halbe Anzahl an Vorlesungen besucht werden muss, so dass mehr Zeit für das Arbeiten im Betrieb bleibt. I. d. R. sind dann mehrere Tage pro Woche ganz frei. Ein Beginn des Master-Studiums ist übrigens sowohl mit Beginn des Sommer-Semesters jeweils am 15.03. als auch mit Beginn des Winter-Semesters jeweils am 1.10. (ohne Abbildung) möglich.

Voraussetzungen

Für die Aufnahme eines dualen Bachelor-Studiums benötigen Interessenten eine Hochschulzugangsberechtigung. Dabei kann es sich um das allgemeine Abitur, die Fachhochschulreife oder den Abschluss in einer Fachoberschule (FOS) oder Berufsoberschule (BOS) oder einen vergleichbaren Abschluss handeln. Auch ohne (Fach-)Abitur ist ein Studium unter bestimmten Voraussetzungen möglich. In diesem Fall ist eine gesonderte Beratung zwingend notwendig.

Möchte eine Firma ein duales Partnerunternehmen der TH Nürnberg werden, so bedarf es einer einmaligen Registrierung an der TH. Aktuell nutzen bereits ca. 20 Firmen dieses Angebot der Fakultät Werkstofftechnik. Ein duales Partnerunternehmen muss außerdem in der Lage sein, die dual Studierenden in der eigenen Firma von Personen mit einem einschlägigen akademischen Abschluss betreuen lassen zu können. Wünschenswert ist ferner, für die Anfertigung der Bachelor- bzw. Master-Abschlussarbeit in Abstimmung mit der THN ein wissenschaftliches, unternehmensbezogenes Thema zur Verfügung zu stellen, welches der/die dual Studierende bearbeiten kann. Wird das Verbundstudium gewählt, muss für den vorgesehenen Ausbildungsberuf außerdem die Ausbildungsberechtigung vorliegen.

Unternehmen haben nun die Möglichkeit, ausgewählten Mitarbeitern ein Studium zu ermöglichen und dabei gleichzeitig die Unternehmensbindung aufrecht zu erhalten, um Fachkräfte zu sichern. Es besteht aber auch die Möglichkeit, über ein duales Studienmodell gezielt neue Mitarbeiter zu suchen. Oftmals ist die Nachfrage danach sehr groß.

Die Fakultät Werkstofftechnik berät gerne Unternehmen aber auch Studieninteressierte, die Fragen zu den dualen Studienmodellen haben.

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